Zwei Bilder vergleichen das Bild des Gebäudes Potsdamer Straße 60 von früher und heute. © Credits: degewo (links) / Jörg Zägel, CC BY-SA 3.0 creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0; Wikimedia Commons (rechts)
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Hausnummernchaos in Berlin: Die Potsdamer Straße 60 im Wandel der Zeit

Wo die Menschen einst Kaffee und Kakao einkauften, findet sich heute der Hauptsitz unserer degewo-Zentrale wieder. Doch wir haben es uns keinesfalls in einem Feinkostladen bequem gemacht. Vielmehr ist die Besonderheit der Berliner Hausnummern verantwortlich für diesen Zufall. Begleiten Sie uns auf einer kleinen Zeitreise in die Potsdamer Straße 60 ­– von damals bis heute.

In der Potsdamer Straße 60, im Berliner Bezirk Schöneberg-Tempelhof, lag früher vermutlich immer ein Hauch von frisch gemahlenem Kaffee in der Luft. Unter der Adresse wo heute die degewo-Zentrale zu Hause ist, kauften Berlinerinnen und Berliner Kaffee, Tee und Kakao. Aber keine Sorge, für die moderne degewo-Zentrale wurde das schöne Kaffee-und-Kakao-Haus nicht abgerissen. Vielmehr ist ein Hausnummernwechsel der Grund für diese gemeinsame Adresse.

Die Entstehung eines besonderen Gebäudes: Das Carisch-Haus

Der imposante und aufwändige Bau wurde vom Architekten Rudolf Zahn entworfen und in den Jahren 1907 und 1908 erbaut. Zahn, der in Karlsruhe, Dresden und Berlin Architektur studierte, gilt als einer der bekanntesten Architekten seiner Zeit. Die Geschichte des sogenannten Carisch-Hauses reicht bis in die Kaiserzeit zurück. Nach der Reichsgründung 1871 und der Entwicklung Berlins zur Industriestadt entstand mehr und mehr Bedarf an repräsentativen (Regierungs-)Gebäuden. Auch Kaufmann Carl Richard Schmidt (Carisch) profitierte Anfang des 20. Jahrhunderts von dieser Entwicklung. Nachdem seine Geschäfte zunehmend erfolgreicher wurden, beauftragte er Architekt Zahn mit dem Bau des Wohn- und Geschäftshauses in der Potsdamer Straße 60 – auch um den Ansprüchen des Standortes gerecht zu werden.

Rote Löwen wachen über die Potsdamer Straße

Über fünf Stockwerke standen nach der Fertigstellung für Wohnungen, Geschäfte und Lager zur Verfügung. Der funktionale Grundriss wurde in Verbindung mit einer modernen, wenngleich schlichten Fassade kombiniert. Das Vorderhaus, welches mit roter Sandsteinfassade gestaltet wurde, erhielt außerdem eine zentrale Hofdurchfahrt. So entstand ein repräsentatives und zugleich praktisches Geschäfts- und Wohnhaus. Vier eindrucksvolle rote Löwenskulpturen, angebracht in den Nischen des Attikageschosses unterhalb des Dachs, wachen bis heute über das Gebäude.

Das Carisch-Haus war in den Folgejahren eine repräsentative Adresse für Carisch-Kaffee und wurde zugleich Wohn- und Arbeitsort von Rudolf Zahn, der sich nach der Fertigstellung des Hauses selbst einmietete.

Die Potsdamer Straße 60 aktuell

Bis heute ist das unter Denkmalschutz stehende Gebäude erhalten geblieben – allerdings unter der Hausnummer 144. Nur wenige hundert Meter südlich, in der Potsdamer Straße 60, befindet sich heute die degewo-Zentrale. Das schlichte Geschäftshaus bildet einen starken Kontrast zum Carisch-Haus und steht für eine moderne und funktionale Büroarchitektur.

Zwei Bilder vergleichen das Bild des Gebäudes Potsdamer Straße 60 von früher und heute. © Credits: Landesarchiv Berlin (rechts)
Eine Reise durch die Zeit: Die Potsdamer Straße in Berlin heute (links) und damals (rechts)

Berliner Hausnummern: Eine spannende Geschichte

Nun verzweifeln nicht nur Berlin-Besucherinnen und -Besucher auf der Suche nach der richtigen Hausnummer. Auch Urgesteine laufen und fahren regelmäßig im Kreis. Selbst der vielgereiste Schriftsteller Mark Twain tat sich bei einem seiner Besuche der deutschen Hauptstadt schwer mit der Verteilung der Berliner Hausnummern. Nie konnte er sich sicher sein, nach welchem Prinzip die Häuser wohl an der nächsten Ecke sortiert waren.

Bei den Hausnummern herrscht ein Chaos wie vor der Erschaffung der Welt.

- Mark Twain

Hufeisen oder Zickzack: Das steckt hinter den Nummerierungsprinzipien

In Berlin sind die Straßen entweder in der Hufeisenform oder der Zickzack-Variante durchnummeriert. Wohnen Sie in einer Straße mit der preußischen Variante (Hufeisen), so startet die Zählung der Häuser auf der einen und wandert fortlaufend bis zur anderen Seite weiter. Der Nachteil dieser Vergabe der Hausnummern liegt auf der Hand: Ist einmal durchgezählt, darf nichts mehr dazu kommen. Aus diesem Grund herrscht seit vielen Jahren die Zickzack-Variante vor, also die geraden Hausnummern auf der einen und die ungeraden auf der anderen Straßenseite. So wird gewährleistet, dass auch nach der Vergabe der ersten Straßennummern noch weitere Häuser dazukommen können, was in Berlin ja durchaus hin und wieder vorkommt.


Chaos bei den Berliner Hausnummern

Wie das Chaos bei den Berliner Hausnummern entstand“ erklärt der Berliner Tagesspiegel und zeigt Ihnen auf einer interaktiven Karte, wie Ihr Quartier nummeriert wurde. Der verzweifelte Tourist oder die Touristin stellt sich vermutlich aber auch im 21. Jahrhundert noch die Frage, wieso diese Nummerierung nicht endlich vereinheitlicht wird? Die Anpassung der etwa 5.400 Kilometer langen Straßen der Stadt würde vermutlich so lange dauern, dass die BVG in der Zwischenzeit schon ein Tarifgebiet D ausgewiesen hätte. Der Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen. Und so lassen sich bis heute neue Gebäude in ganz Berlin entdecken, die man vielleicht nie gesucht hat.