Um junge Alleinerziehende zu unterstützen, entstand vor fast zehn Jahren ein Bündnis in Marzahn-Hellersdorf. Was macht es so besonders? Ein Besuch bei „JuLe“.
Der Elfgeschosser in Marzahn mit seinen roten, grünen und gelben Balkonen fällt schon von weitem auf. In der Golliner Straße 5 bis 7 steht das Jule-Haus mit 15 Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen. Hier leben alleinerziehende Mütter und Väter im Alter von 18 bis 27 Jahren mit ihren Kindern.
Das JuLe-Konzept: Hilfe zur Selbsthilfe
Das Konzept ist schnell erklärt: "JuLe", das heißt junges Leben. Alleinerziehende wohnen günstig in der eigenen Wohnung und werden bei der Betreuung ihrer Kinder, dem Schulabschluss und bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz unterstützt. Immer mit dem Ziel, dass die Bewohnerinnen und Bewohner beim Verlassen der Einrichtung ihr Leben mit Kind selbstständig meistern können.
Individuelle Unterstützung durch Sozialarbeiterinnen
Astrid Egel ist von der ersten Stunde an dabei. Sie baute Jule auf und koordiniert heute mit einer weiteren Sozialarbeiterin das bunte Leben im Haus. Der Aufenthalt in der Einrichtung ist auf drei bis fünf Jahre ausgelegt und immer freiwillig. Aber Astrid Egel betont: „Es ist keine Eltern-Kind-Einrichtung, sondern vielmehr Hilfe zur Selbsthilfe. Wir halten den Müttern und Vätern den Rücken frei und bieten Unterstützungsangebote, die auf ihre individuelle Situation abgestimmt sind.“
Es braucht den Willen, das Leben selbst in die Hand zu nehmen
Erwachsen sein heißt Verantwortung übernehmen, doch das klingt einfacher, als es ist, gerade für junge Eltern. Denn sie sind dreifach belastet: Kind, Wohnung und Ausbildung oder Arbeit. Bisher konnten viele von ihnen wegen des Kindes nicht zur Schule gehen oder eine Ausbildung beginnen. Bei Jule lernen sie nun, alles unter einen Hut zu bekommen. Astrid Egel kennt ihre Schützlinge und weiß, sie müssen vor allem eines mitbringen: den starken Willen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Mit Hilfe von verpflichtenden Zielvereinbarungen kann es gelingen, denn damit wird die Orientierung erleichtert und viele kleine Schritte führen zu langfristigem Erfolg.
Die erste eigene Wohnung für Lisa Hanke
Auch Lisa Hanke wohnt bei Jule. 2018 zog sie mit ihrer damals einjährigen Tochter aus dem Elternhaus in die erste eigene Wohnung. In ihrer Zielvereinbarung steht der Abschluss ihrer Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten. Ihr ist bewusst, dass sie es nur so schaffen kann. „Stress oder Rückschläge können dazu führen, dass man aufgeben möchte und sich nicht mehr selbst ermutigen kann“, sagt sie. Lisa schätzt im Haus besonders die familiäre Atmosphäre und eine Art „24-Stunden-Service“ – rund um die Uhr könne sie Astrid Egel erreichen und um Hilfe bitten.
Gemeinsam sind hier alle stärker
Besonders die ersten Wochen in der neuen Umgebung sind immer die schwierigsten. Es fehlen die Routinen, vertraute Personen. Hinzu kommen neue Tagesabläufe mit Kind und Kegel. Aber die Bewohnerinnen unterstützen sich gegenseitig, vor allem die, die schon länger da sind, helfen. Sei es beim Ausfüllen von Formularen oder als Babysitter, wenn die Kita früher schließt.
Mehr als nur Wohnen
Neben den 15 Wohnungen befinden sich auf einer Fläche von rund 200 Quadratmetern eine Küche sowie Tobe- und Spielzonen für die Kinder. Ein Seminarraum und verschiedene Treff- und Begegnungspunkte stehen für den Austausch zur Verfügung. Hier gibt es regelmäßig Vorträge zu Themen wie Haushaltsführung für knappe Kassen, Kindererziehung oder gesunde Ernährung. Lisa hat aufgehört zu zählen, wie oft sie sich mit anderen Müttern abends verquatscht hat, obwohl noch einiges zu tun war.
Gerade Alleinerziehende sind oft von Armut betroffen
Das Haus ist allerdings kein eigener Mikrokosmos. Das Projekt ist so konzipiert, dass die individuellen Ziele der Alleinerziehenden erreicht werden können. Denn laut statistischem Bundesamt sind besonders junge Alleinerziehende von Armut betroffen. Sie sind für den familiären Lebensunterhalt, die Kindererziehung, den Haushalt sowie für die Organisation des Alltages verantwortlich und stoßen häufig an die Grenzen ihrer körperlichen und psychischen Belastung.
Ein Netzwerk vor Ort hilft und begleitet
Deshalb macht sich Marzahn-Hellersdorf als Bezirk stark und bringt seine ganze Expertise ein. In regelmäßigen Steuerungsrunden wird die Hilfe koordiniert und organisiert. So unterstützt das Jobcenter Marzahn-Hellersdorf mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, bei der Berufsberatung sowie Eingliederung in Arbeit. Hierbei unterstützt der Marzahn-Hellersdorfer Wirtschafskreis e. V. durch die Abfrage und Vermittlung von Aus- oder Weiterbildungsplätzen bei seinen Mitgliedsunternehmen. Der Kinderring Berlin e. V. hilft in Alltagsfragen und bei Fragen rund um die Entwicklung und Betreuung der Kinder ebenso wie das Jugendamt des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf. Um zur Qualitätsentwicklung des Modellprojektes beizutragen, begleitet die Alice-Salomon-Hochschule JuLe wissenschaftlich. Und degewo als kommunales Wohnungsunternehmen stellt die modernisierten und kindgerechten Wohnungen zur Verfügung, vermittelt Ausbildungsplätze und unterstützt bei der Wohnungssuche.
Ein Projekt, das Erfolge zeigt
Der Erfolg des Projekts wird spürbar, wenn Astrid Egel ihre ehemaligen Schützlinge wiedertrifft. Viele arbeiten heute in der mobilen Kranken- und Altenpflege, als Kauffrau im Einzelhandel, als Erzieherin oder als Kauffrau für Büromanagement. Und auch Lisa hat sich weitere Ziele gesteckt, sie möchte die Familie vergrößern und Polizistin werden.
Wir unterstützen das JuLe-Projekt
Auch bei der Suche nach neuen Bewohnerinnen und Bewohnern - denn es gibt freie Plätze!
Interessierte alleinerziehende Mütter und Väter aus Marzahn-Hellersdorf können sich für das Projekt bewerben.
Die Ansprechpartnerinnen Astrid Egel und Marina Bikádi helfen Ihnen gerne weiter.
Informationen zur Bewerbung erhalten Sie vor Ort in der Golliner Straße 7, 12689 Berlin oder telefonisch unter 030 / 93 66 54 19.