Alev Deniz vor dunkelrotem Hintegrund © Wir im Brunnenviertel (WIB) – Förderung und Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und ihren Familien e. V
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Wir im Brunnenviertel: Integration aktiv gestalten

Im Brunnenviertel in Berlin nehmen Jugendliche mit Migrationshintergrund ihre Integration selbst in die Hand. Mit dem Verein „Wir im Brunnenviertel e.V.“ gibt Alev Deniz ihnen den Raum sich zu engagieren und ihren Kiez aktiv mitzugestalten. Im Interview mit degewo erzählt sie von Ihrer Arbeit. 

Zwischen Mitte, Gesundbrunnen und Prenzlauer Berg liegt das Brunnenviertel. Umrandet von drei Parks treffen hier viele unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinander. 2013 hat Alev Deniz dort den gemeinnützigen Verein „Wir im Brunnenviertel (WIB) – Förderung und Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und ihren Familien e. V“. gegründet. Dort organisieren sich junge Menschen mit Migrationsgeschichte selbst und schaffen ein Angebot für andere Teenager und Kinder im Kiez. 

Von Jugendlichen für Jugendliche 

Jungen Menschen Gestaltungsspielräume geben: Das ist das zentrale Ziel des WIB e.V.. Das Besondere dabei ist, dass die Jugendlichen hier ihre eigenen Projekte gestalten, füreinander. Hausaufgabenhilfe, Spielen, Kochen lernen oder Theater spielen: All diese Angebote werden von Jugendlichen für andere junge Menschen organisiert. Räume, Finanzierung, Teilnehmende, das alles planen sie selbst und bekommen dabei Unterstützung, wenn sie diese benötigen. Dabei lernen sie, Verantwortung zu übernehmen und ihre Umgebung aktiv mitzugestalten. Davon profitieren alle Seiten, vor allem die Integration. Nicht umsonst hat der Verein gleich mehrere Integrationspreise gewonnen. 

WIB-Mama Alev Deniz  

Als Alev Deniz mit 16 Jahren als Geflüchtete nach Deutschland kam, gab es solche Orte wie den Verein WIB e.V. noch nicht. Um Anschluss zu finden und Deutsch zu lernen, ist sie damals in einen Sportverein gegangen. Nach ihrem Studium in Berlin hat sie 2005, im Rahmen ihres Jobs als Quartiersmanagerin im Brunnenviertel, die Idee vom WIB entwickelt. Mittlerweile ist die 52-jährige Diplomsozialwissenschaftlerin ehrenamtliche Vorsitzende des Vereins und wird von den Jugendlichen liebevoll als „WIB-Mama“ bezeichnet.  

Junge Menschen entscheiden über das, was sie betrifft 

Neben Frau Deniz waren an der Gründung des WIB e.V. mehrere Jugendliche beteiligt und auch bei der Verwaltung des Vereins haben die jungen Menschen großes Mitspracherecht. Jeder, der ein Projekt im WIB anbieten möchte, muss es vorab bei den verantwortlichen Jugendlichen vorstellen. Bisher wurden auch die neuen Projektleitungen von den Jugendlichen selbst ausgewählt. „Das ist ganz wichtig“, betont Alev Deniz, „denn die Jugendlichen müssen zum Schluss ja auch mit der Person zusammenarbeiten können. Das heißt, sie müssen die Entscheidung mittreffen.“ Für Alev Deniz ist es wichtig, dass die Jugendlichen lernen, dass sie eine Stimme haben, die zählt und selbst etwas bewegen können. „Sie sollen nicht nur konsumieren, sondern lernen, selbst zu gestalten, das war von Anfang an die Idee“.  

Komm, sei du selbst und teile, was du hast. 

Jugendliche, die in den Verein kommen und sich engagieren möchten, können selbst entscheiden, welche Projekte sie machen möchten. „Hier bekommt niemand etwas zugeteilt. Wir fragen die Jugendlichen aktiv: Was kannst du? Was möchtest du gerne anbieten?“, erzählt Frau Deniz. Mit ihren Angeboten bespielen die Jugendlichen verschiedene Räumlichkeiten in der Umgebung. Dadurch engagieren sie sich selbst für die Integrationsarbeit in ihrem Kiez. Den Jugendlichen gefällt dieser Ansatz. Im Durchschnitt bleiben sie zwei bis drei Jahre im Verein und engagieren sich aktiv.  

Von der Hausaufgabenhilfe zur Vereinsvorsitzenden 

Alev Deniz erzählt auch von einer ganz besonderen Erfolgsgeschichte, die sie bis heute sehr stolz macht. Es ist die Geschichte von Yassmin, die mit 16 zum WIB e.V. kam und Hausaufgabenhilfe anbieten wollte. Nach einiger Zeit stellte sich aber heraus, dass Hausaufgabenhilfe nicht so ihr Fall war und sie viel mehr Lust hatte, Theaterkurse für Teenager und Kinder anzubieten. Daraus entstand ein fast zweijähriges Projekt. Danach hat Yassmin mehrere Jahre eine offene Nachmittagsbetreuung für Jugendliche organisiert und war anschließend Werkstudentin im Verein. Mittlerweile ist Jasmin 24 Jahre alt und erste Vorsitzende des Vereins. Damit ist sie sogar die Chefin von Frau Deniz. „Ich glaube das Wichtigste ist, den Jugendlichen zu zeigen, dass Ehrenamt Spaß macht und dass sie mit ihrem Engagement richtig was bewegen können“, betont sie. 

Hilfe, die dort ankommt, wo sie gebraucht wird 

Mit dem WIB e.V. organisiert Alev Deniz immer wieder neue Projekte. Zum Beispiel mit Geflüchteten aus der Ukraine oder das „WIB-Lots*innen“-Projekt, das auch von degewo finanziell unterstützt wurde. Dabei sind junge Geflüchtete in Geflüchtetenunterkünfte gegangen und haben andere Kinder und Jugendliche mit in die Jugendeinrichtungen in der Umgebung gebracht. „Wir setzen auf das Potenzial von Menschen. Ganz egal, ob sie schon fünf oder drei Jahre oder erste einige Monate in Deutschland sind“, erklärt Frau Deniz. „Alle diese Menschen bringen etwas mit. Wir öffnen ihnen nur den Raum dazu, dass sie das sinnvoll für die Gesellschaft einsetzen.“  

„Wir sind ein Kind von degewo“ 

Alev Deniz erzähl jedoch auch, dass die Communityarbeit, die Migrantinnen- und Migrantenorganisationen leisten, in Deutschland leider kaum gesehen wird und zu wenig Anerkennung findet. Deswegen ist es dem Verein anfangs schwergefallen finanzielle Mittel zu bekommen, um eine Infrastruktur aufzubauen. Mit der kostenlosen Vermietung des Vereinsheims „Time Out“ sowie Spenden für Anschaffungen hat degewo von Anfang an eine zentrale Rolle bei der Unterstützung des WIB e.V: gespielt, erzählt sie. „Wenn diese Hilfe nicht gewesen wäre, dann hätten wir es nicht geschafft uns so lange zu halten und so groß zu werden“ betont Frau Deniz. Dank degewo hat der Verein seit letztem Jahr nun auch ein festes Büro. 

Fürs Leben lernen 

Alev Deniz findet viel Erfüllung in ihrer Arbeit, auch wenn es für sie anstrengend ist, einen großen Teil der Verwaltungsarbeit selbst zu übernehmen. Sie hofft, dass die Jugendlichen durch ihre Erfahrungen im Verein die Kompetenzen mitnehmen, die ihnen dabei helfen, für sich selbst eine Zukunft aufzubauen. „Ich freue mich besonders darüber, wenn ich höre, dass jemand einen Studienplatz oder Ausbildungsplatz bekommen hat. Das sind für mich die schönsten Momente“, erzählt sie.  

Nachmachen erwünscht! 

Zum Schluss ist es Alev Deniz noch wichtig zu betonen, dass Menschen mit Migrationshintergrund sehr wohl aktiv sind und sich engagieren, auch wenn ihr oft andere Meinungen begegnen. Sie würde sich darüber freuen, wenn auch andere Jugendvereine sehen, wie viel erreicht werden kann, wenn junge Menschen Raum für Beteiligung bekommen. Sie hofft, dass es bald mehr Stellen gibt, wo das ermöglicht wird. Auf dem WIB-eigenen Instagram Kanal teilt der Verein aktuelle Neuigkeiten und Veranstaltungen. Reinschauen lohn sich!