Früher hielten Haushaltsgegenstände oft ein Leben lang – heute ist ein Ersatz nur wenige Klicks entfernt. Da stellt sich die Frage: Lohnt sich Reparieren überhaupt noch? Der Reparatur- und Leihladen Kreisler in der Gropiusstadt, Neukölln, zeigt: Ja, unbedingt! Hier geht es nicht nur darum, Ressourcen zu schonen und Dinge länger nutzbar zu machen. Kreisler schafft zugleich einen Ort, an dem Nachbarschaft lebendig wird.
Das Nachbarschaftsprojekt ist seit November 2024 in einer unserer Gewerbeflächen im Einkaufszentrum Wutzky untergebracht. Hier können sich Nachbarinnen und Nachbarn aus der Gropiusstadt entweder selbst handwerklich betätigen oder etwas zum Reparieren abgeben – alles auf Spendenbasis. So sollen Gegenstände länger leben und weniger Müll entstehen.
Von der Kaffeemaschine über Dekoelemente bis hin zu Gardinen: Hier wird getüftelt, gebastelt und genäht – bis der Gegenstand eben wieder funktionstüchtig ist. Manchmal kann das ein bisschen dauern, schließlich arbeiten hier alle nur ehrenamtlich. Das Miteinander steht dabei im Mittelpunkt: Kommt jemand bei einer Reparatur einmal nicht weiter, dann versucht es jemand anderes.
Ort der Begegnung
Einige Mitglieder gehören inzwischen fast so selbstverständlich zum Inventar wie die zahlreichen Werkzeuge, die die Wände des Ladenlokals schmücken. Für sie ist der Kreisler mehr als nur ein Reparatur-Treff. Es ist eine echte Community geworden, die auch abseits von handwerklichen Angelegenheiten füreinander da ist. An bis zu vier Tagen die Woche können sie hierherkommen, Kundinnen und Kunden beraten, selbst etwas reparieren oder einfach eine Tasse Kaffee trinken. Inzwischen zählt der Verein über 200 Mitglieder. Davon sind nicht alle regelmäßig im Kreisler aktiv, können sich allerdings jederzeit einbringen.
Aber auch Menschen, die (noch) nicht Mitglied im Verein sind, sind stets willkommen. In der Gropiusstadt leben fast 40.000 Menschen. Für einige von ihnen ist der Kreisler zu einer Art Begegnungsort im Wutzky geworden – viele kommen auf dem Weg zum Einkauf vorbei. Auf der Fensterfront steht groß in drei Sprachen: „Teilen, Treffen, Reparieren“. Passanten können einfach auf einen kurzen Plausch reinkommen, etwas zum Reparieren abgeben oder selbst lernen, wie man z. B. eine Kaffeemaschine wieder zum Laufen bringt. Auch engagierte Tüftlerinnen und Tüftler sind natürlich immer gern gesehen.
Wer allerdings mitreparieren möchte, muss Mitglied werden – nur so kann der Verein auch langfristig überleben. Dabei sind die Mitgliedsbeiträge so gestaffelt, dass sie für alle finanzierbar sind. Jeder gibt so viel er kann, wenn möglich mindestens zehn Euro im Jahr.
Reparieren, ausleihen, helfen
Neben den Reparaturen bietet der Kreisler auch zahlreiche Gegenstände zum Ausleihen an – ganz entsprechend dem System der Kreislaufwirtschaft, das hier gelebt wird. Insbesondere Zeltausrüstung und Küchengeräte füllen die langen Regale. Wer also einen Campingtrip unternehmen möchte, kann sich das Equipment einfach im Kreisler ausleihen und es nach 14 Tagen wieder zurückbringen – das spart Geld und Ressourcen, während Gegenstände, die sonst auf dem Müll gelandet wären, eine zweite Chance bekommen. Auch ein kleiner Flohmarkt findet hin und wieder statt.
Das Projekt zeigt, wie Nachhaltigkeit und Nachbarschaft verbunden werden können. Vielen fehlt es im Alltag an Zeit oder den nötigen Kompetenzen, um kaputte Gegenstände in ihrem Haushalt zu reparieren. Andere wiederum suchen nach einer sinnvollen Beschäftigung und einen Ort, an dem sie sich einbringen können. Der Kreisler ermöglicht es diesen Menschen, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen und fast nebenbei zu einem nachhaltigen Miteinander beizutragen – eine Win-Win-Situation für alle.
Kreative Lösungen für aktuelle Herausforderungen
Der Kreisler ist aus der Initiative „Machbarschaft“ hervorgegangen, die von degewo ins Leben gerufen wurde. Auf Basis dieser Idee wurde der Reparatur- und Leihladen gemeinsam mit der Nachhaltigkeitsagentur „New Standard.s“ konzipiert. Für das besondere Zusammenspiel aus Nachhaltigkeit, sozialer Teilhabe und gelebter Kreislaufwirtschaft – mit Formaten wie Kleidertausch, gemeinschaftlichem Kochen und dem „Kreisler“ – erhielt die Machbarschaft den 2. Platz der Zero Waste Awards 2025. Sie zeigt: Zero Waste funktioniert, wenn wir es gemeinsam anpacken.
Gemeinsam für den Klimaschutz
Wir wollen bis 2045 nahezu klimaneutral sein. Dabei geht es nicht nur um Themen wie energetische Sanierungen, Neubauten oder nachhaltige Finanzierung. Klimaschutz fängt vor der eigenen Haustür an. Deswegen haben wir in unseren Kiezen Mieterprojekte gestartet, die Mieterinnen und Mieter miteinbeziehen und aktivieren – darunter die Machbarschaft in der Gropiusstadt. Ziel ist es, Klimaschutz durch Veranstaltungen, direkte Ansprache und regelmäßigen Treffen alltagsnah näherzubringen. Die Nachbarschaft kann so konkrete Ideen entwickeln, die Nachhaltigkeit in den eigenen Kiez integrieren.
Maximilian Mauracher, Gründer von „New Standard.s“, hat den Laden von Anfang an konzipiert und begleitet – er packt sogar selbst mehrmals die Woche mit im Kreisler an und unterstützt die Ehrenamtlichen bei Reparaturen. Ziel war es, Nachhaltigkeit mit der Lebensrealität unserer Mieterinnen und Mieter in der Gropiusstadt zu verbinden und sie zum Mitmachen zu aktivieren. Dafür stellen wir dem Verein zu günstigen Konditionen die Ladenfläche im Wutzky zu Verfügung – der Rest wird von Spenden- und Mitgliederbeiträgen finanziert. Nach etwa einem Jahr mit über 420 erfolgreichen Reparaturen ist inzwischen klar: Der „Kreisler“ ist ein voller Erfolg.