Der Berliner Fernsehturm bei Nacht aus der Vogelperspektive. © Credits: Adobe Stock / 21AERIALS
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Lichtverschmutzung – Wenn es abends wieder heller wird

Draußen ist es hell, selbst wenn es Nacht ist. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land, in Deutschland ist die Luft vielerorts verschmutzt – und zwar vom Licht! Woher kommt dieser Lichtsmog und was können wir dagegen tun?

Eine Taschenlampe haben Sie vermutlich noch nie gebraucht, wenn Sie zu später Stunde in einem der zwölf Berliner Bezirke unterwegs waren. Zwar versammeln sich was die Lichtverschmutzung angeht im internationalen Vergleich andere Städte auf den vorderen Plätzen, aber auch in Deutschland werden die Nächte immer heller. Doch was bedeutet Lichtverschmutzung (englisch: light pollution) überhaupt? Welche Auswirkungen hat sie auf uns? Und wieso schalten wir nicht einfach alle Lampen aus?

Die Straßen leuchten bis zum Himmel – und bis ins Westhavelland

In Berlin kommt ein Drittel des nach oben gerichteten Lichts von Straßen. Etwa 16 Prozent stammen von Industrie- und Gewerbegebieten. Besonders in Städten wird es scheinbar niemals dunkel: Gebäudefassaden, Straßen, Ladengeschäfte und Privathäuser werden angestrahlt. Diese allgegenwärtige Beleuchtung hat großen Einfluss auf uns und unsere Umgebung. Neben all den hellen Flecken gibt es jedoch auch finstere Ecken in Berlin. Die großen Park- und Waldflächen wie Tiergarten, Grunewald und Tempelhofer Feld und die Gebiete entlang der Havel strahlen am wenigsten. Das macht sie zu wichtigen Rückzugsorte für die Tierwelt. (Und uns Menschen.)
 

Im Nachthimmel sind zahlreiche Sterne bis hin zur Milchstraße sind zu erkennen. Am Rand zeichnet sich das Licht der angrenzenden Städte ab. © Credits: Bautsch, CC0, via Wikimedia Commons
Berlins Lichtglocke – links im Bild – leuchtet bis zum Sternenpark Westhavelland.

Es geht auch ohne Sternenhimmel

Rausgehen und den Sternenhimmel bestaunen ist in vielen Orten Deutschlands eher ein Wunschtraum. Das Umgebungslicht ist so hell, dass wir viele Sterne kaum sehen können. Doch warum wird es niemals dunkel in Berlin? Licht gibt Sicherheit und Orientierung, wir können Dinge und Menschen in unserer Umgebung besser erkennen. Das hilft, wenn wir allein unterwegs sind, aber auch wenn wir ein Auto oder einen Elektroroller steuern. Licht ist Kunst und wird als Deko eingesetzt. Es beleuchtet Wahrzeichen, die in der ganzen Welt bekannt sind. Licht ist schön. Nicht nur am Weihnachtsbaum.

Die LED übertreibt

Seit Erfindung der LED (englisch für light-emitting diode) im Jahr 1962 hat sich das kleine praktische Lämpchen an die Spitze der Leuchtmittel gekämpft. Inzwischen ist die LED-Lampe eine der effizientesten Möglichkeiten, künstliches Licht zu erzeugen. Doch sie neigt zur Übertreibung. Wo Städte früher 1.500 Euro für die Lampe einer Straßenlaterne zahlen mussten, liegt der Preis heute bei etwa 200 bis 250 Euro. Jetzt können bei geringeren Kosten deutlich großflächiger und sehr viel mehr Lampen eingesetzt werden. Und die laufen und laufen und laufen: Eine haushaltsübliche LED schafft es auf gut 15.000 Stunden Leuchtdauer, fest verbaute Profi-LEDs werben mit 50.000 Stunden und mehr. Die gute alte Halogenlampe, die Sie jetzt vielleicht in Gedanken über sich brummen hören, hatte schon nach rund 2.000 Stunden aufgegeben. Einer der Gründe, wieso sie von der EU-Kommission 2018 verboten wurde.

Alles leuchtet: Der Einfluss auf Menschen, Tiere und Pflanzen

Auch wenn sich Straßenbeleuchtung positiv auswirkt (überlegen Sie einmal, wie vielen Hundehaufen Sie schon dank einer Laterne ausgewichen sind!), kann sie auch negativen Einfluss haben. Mit 4.000 Kelvin und einem hohen Blauanteil locken unsere Straßenlampen zahlreiche nachtaktive Insekten an, die letztendlich an Verbrennung oder Erschöpfung sterben. Weniger Insekten bedeutet weniger Futter für andere Tiere, wodurch wiederum weniger Blumen bestäubt werden. Vögel und Fledermäuse verlieren durch angestrahlte Fassaden oder Lampen die Orientierung. Und selbst wir Menschen haben es schwer bei all dem Licht, wir kommen nicht zur Ruhe. Wir schlafen schlechter und werden krank, die Produktion des Schlafhormons Melatonin wird gebremst.

Im Fokus steht eine große Kathedrale im Stil der Neorenaissance und des Neobarock, die bei Nacht beleuchtet wird. © Credits: Adobe Stock / tilialucida
Das Licht an vielen Berliner Wahrzeichen ist inzwischen abgeschaltet, damit spart die Stadt 200.000 Kilowattstunden Strom und rund 40.000 Euro pro Jahr.

Was hilft gegen Lichtverschmutzung?

Einfach mal abschalten. Es ist genau so einfach, wie Sie denken. Selbst in der eigenen Wohnung ist weniger manchmal mehr. Eine kleine Lampe dort, eine Kerze da und es wird gleich viel gemütlicher als mit dem vierflammigen Deckenstrahler. Das spart eine Menge Energie und bares Geld. (Weitere Tipps finden Sie in unserer Energiespar-Serie.) Und was ist mit den Lampen in Ihrer Straße? Um die Ecke leuchtet ein Ladengeschäft die ganze Nacht? In Berlin können Sie Lichtbelästigungen online melden und der Stadt dabei helfen, ein kleines bisschen gemütlicher zu werden.

Mit Insekten-Tracking die Zukunft bestimmen

Zum Glück gibt es auch Ideen für die Zukunft, damit wir nicht im Dunkeln sitzen müssen und trotzdem unsere Umwelt und uns weniger belasten. In einem Pilotprojekt in Baden-Württemberg wird bis 2023 mit Hilfe von künstlicher Intelligenz der Einfluss verschiedener Lichtfarben und -stärken auf Insekten getestet. Die verwendete Straßenbeleuchtung passt sich im Modellvorhaben individuell an das Verkehrsaufkommen an. Durch den Einsatz von Kameras werden dabei auch die Insekten beobachtet. Nach Abschluss kann so festgestellt werden, wie die Tiere auf die verschiedenen Lichtsituationen reagiert haben und das Lichtkonzept kann entsprechend angepasst werden

Berlin ist eine helle Leuchte, sollte aber auch einmal abschalten

In Berlin wird seit 2022 Energie gespart. An 200 Bauwerken heißt es: Licht aus! „Angesichts des Krieges gegen die Ukraine und der energiepolitischen Drohungen Russlands ist es wichtig, dass wir möglichst sorgsam mit unserer Energie umgehen. Das gilt auch und gerade für die öffentliche Hand“, sagte Umweltsenatorin Bettina Jarasch dazu. Aber keine Sorge, die Füchse und Wildschweine können Sie im Dunkeln nicht erschrecken. Die Straßenbeleuchtung bleibt selbstverständlich an, Sie kommen weiterhin überall sicher an Ihr Ziel.

Eine Ansammlung von vielen Sternen bei Nacht. © Credits: Teemu Tretjakov
Die Milchstraße bewundern statt ein Milky Way essen? Fahren Sie doch mal raus aufs Land.

Es werde Licht

Zwar wird es wohl auch in Zukunft in keiner größeren Stadt freie Sicht auf die Sterne geben, aber es könnte besser werden! Denn am Licht wird gearbeitet. In Berlin zum Beispiel setzt der Senat zukünftig vermehrt auf LED-Lampen mit maximal 3.000 Kelvin in der Straßenbeleuchtung. Das Licht soll einen möglichst geringen Ultraviolett- und Blauanteil haben und ist damit überwiegend insektenfreundlich. Zudem blendet es deutlich weniger. Moderne Technik lässt außerdem eine zielgerichtete und flexibel dimmbare Beleuchtung zu. Durch Bewegungsmelder kann die Beleuchtung sogar an den Bedarf angepasst werden.

Freiheit für die Sterne!

Naturschutz haben Sie schon einmal gehört – aber Lichtschutz? In Deutschland gibt es gleich mehrere Orte, an denen der Blick auf die Sterne geschützt wird – in sogenannten Lichtschutzgebieten. Die Städte und Gemeinden im Umland sorgen mit ihrem Lichtkonzept dafür, dass die Umgebung so wenig mit künstlichem Licht belastet wird wie möglich. Dunkelheit wird als Schutzgut betrachtet. Etwa 90 Kilometer von der Hauptstadt entfernt gibt es im Sternenpark Westhavelland freie Sicht auf die Sternenbilder! Bei Bedarf werden Sie dabei sogar begleitet. Sollte es Sie weiter wegziehen, dann können Sie Milchstraße, Großen Bär und Co. auch im Nationalpark Eifel oder im Biosphärenreservat Rhön entdecken. Jetzt Sternenfan werden!