Zwei ältere Männer reden miteinander. © Credits: Gene Glover
Wir bei degewo | Hinter den Kulissen

Sanierungsserie Teil 3: Die Ankündigung

Margitta Schulze Lohoff . Artikel aus dem degewo-Magazin stadtleben 3/2019

Ein wichtiger Schritt in einem Sanierungsprozess: die Modernisierungsankündigung. Die kommt per Brief ins Haus und sagt oft eine höhere Miete voraus. Warum das so ist, erklärt unser degewo-Experte im dritten Teil unserer Serie.

Der Brief ist so dick, dass er nur in einen DIN-A4-Umschlag passt. Zwölf Seiten eng beschriebenes Papier plus vier Seiten Anhang mit Tabellen, Rechnungen und Zeitplänen.

Ganz oben auf der ersten Seite steht: „Wir verbessern Ihre Wohnqualität!“.
Der Absender: degewo, Kundenzentrum Süd.
Datum: 04.06.2019.
Die Adressaten: Petra und Achim Knuth, Mieter im Greizer Viertel in Marienfelde.

Mieter in einem der Häuser, die in den nächsten Jahren aufwendig saniert werden sollen. Der Brief erklärt: Am 9. September geht es los. Und noch mehr: Er verrät auch, wie viel Miete die Knuths nach der Sanierung zahlen sollen. Doch schauen wir uns erst einmal um.

Das Greizer Viertel liegt im Berliner Süden zwischen Stadtilmer Weg und Lichterfelder Ring auf weiten Rasenflächen: Mehrfamilienhäuser, die meisten drei, vier Stockwerke hoch, mit Satteldach, Balkonen und einfachverglasten Fenstern, von deren Rahmen die Farbe blättert. Die weißen und beigefarbenen Fassaden sind von Wind und Wetter gezeichnet. „Viele Häuser entsprechen den Standards ihres Baujahres – das war 1963“, sagt Achim Knuth. Er kennt sich aus im Viertel. Er wohnt hier seit mehr als 30 Jahren, vor zwei Jahren wurde er zum Mieterbeirat gewählt. Ihre zweieinhalb Zimmer heizen er und seine Frau sparsam. Die Heizung im Wohnzimmer etwa trennt nur eine dünne Zement-Platte von der Außenwelt. „Zuviel Wärme geht verloren, die energetische Modernisierung muss wirklich sein“, sagt er.

Das sieht degewo genauso. Ende 2017 wurde entschieden: Im Greizer Viertel werden die Fassaden erneuert und neue Fenster eingesetzt (Teil 1- Die Bestandsanalyse). Fachplaner und Architekten wurden mit Voruntersuchungen beauftragt und legten drei Entwürfe vor, wie die Häuser für die Zukunft fit gemacht werden sollen. Die Mieter entschieden sich bei einer Informationsveranstaltung für die klassische Gestaltungsvariante: elegante Vordächer, weiße Fassaden (Teil 2 - Die Planung). So weit ist alles klar. Es könnte losgehen. Doch bevor die Bauarbeiter anrücken, steht ein weiterer wichtiger Schritt im Erneuerungsprozess an: die Modernisierungsankündigung. Die kam Anfang Juni per Post ins Haus.

Szenenwechsel: Am Stadtilmer Weg steigt Dr. Wolfgang Wagner aus seinem Auto. Das Team unseres Magazins stadtleben hat sich mit dem Bereichsleiter Bestandsentwicklung von degewo zum Interview im Quartier verabredet. Er nutzt die Gelegenheit, sich im Hinblick auf die anstehenden Bauarbeiten abermals im Quartier umzuschauen. „Vor einer Sanierung müssen wir dem Mieter sehr deutlich erklären, welche Maßnahmen am Haus passieren werden und welche in der Wohnung selbst“, sagt Wagner, „all das steht in der Modernisierungsankündigung.“ Spätestens drei Monate vor Baubeginn müsse die verschickt werden, damit der Mieter die Situation bewerten kann: Kann er die unvermeidlichen Baubelästigungen bewältigen? Ist er in der Lage, die angekündigte Mietererhöhung zu tragen?

Im Anhang des Briefes an die Mieter steht deshalb auch sehr ausführlich, wie viel Miete Achim Knuth und seine Frau nach der Modernisierung zahlen müssen. Es werden rund 70 Euro mehr sein als bisher. Auf mehreren Blättern und in etlichen Tabellen wird genau vorgerechnet, wie diese Summe zustande kommt. „Wir als Vermieter dürfen nur einen Teil der Kosten, die bei einem Modernisierungs- und Instandsetzungsprojekt anfallen, auf die Miete umlegen“, erklärt Wolfgang Wagner, „das berechnen wir ganz genau und für jede Wohnung individuell.“

Diese Berechnung erfolgt 20 Kilometer Luftlinie entfernt in einem Bürogebäude in Marzahn. Hier sitzt das Mietenmanagement von degewo. Mark Sander, Leiter der Abteilung, und sechs Kolleginnen kalkulieren die umlagefähigen Kosten. „Wir stellen sicher, dass die Mieter Planungssicherheit haben, und prognostizieren die Mieterhöhung so genau wie möglich“, sagt Sander und erklärt, dass er und sein Team in zwei Schritten vorgehen: Zuerst werden alle Maßnahmen des Sanierungsvorhabens in Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen unterschieden. Instandsetzungen sind alle Arbeiten, die den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Diese Kosten  sind vom Eigentümer bzw. Vermieter zu tragen. „Bei Modernisierungen hingegen wird entweder der Wohnwert erhöht oder sie führen zu Energieeinsparungen“, so Sander, „im besten Fall zu beidem.“ Ein Beispiel: Wenn an der Greizer Straße die alten Fenster nur gestrichen würden, wäre das eine Instandsetzungsmaßnahme. Werden sie aber gegen neue, besser isolierte Fenster ausgetauscht, verbessert sich dadurch die Wärmedämmung des Hauses – die Wohnqualität steigt, es wird Energie gespart. Laut Gesetz dürfen Vermieter nur diese Modernisierungskosten auf die jährliche Miete umlegen – in Höhe von acht Prozent. Im zweiten Schritt ordnet das Mietenmanagement die Modernisierungskosten den Wohnungen zu: Die Kosten für das neue Fenster in der Wohnung etwa werden nur auf die Miete dieser Wohneinheit angerechnet, die Kosten für das neue Fenster im Treppenhaus anteilig auf alle Mieter im Haus.

Zurück ins Greizer Viertel, wo Wolfgang Wagner inzwischen auf Achim Knuth getroffen ist. Der Mieterbeirat nutzt die Gelegenheit, um dem Fachmann Fragen zur Mietanpassung zu stellen. Schließlich ist Wagner als Bereichsleiter Bestandsentwicklung auch dafür zuständig, dass die Rechte der Mieter, Regeln von Kooperationsvereinbarungen und andere politische Rahmenbedingungen eingehalten werden. „Als städtische Wohnungsgesellschaft haben wir uns in der Kooperationsvereinbarung mit dem Berliner Senat verpflichtet, anstatt der zulässigen acht Prozent nur sechs Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umzulegen“, erklärt Wagner. Außerdem dürfe bei degewo die ortsübliche Vergleichsmiete nicht um mehr als zehn Prozent überschritten werden. „Aber natürlich wissen wir, dass auch eine Mieterhöhung von nur sechs Prozent für manche Mieter immer noch eine Belastung sein kann.“

Auch für Achim Knuth und seine Frau sind 70 Euro mehr Miete im Monat viel Geld. Er erinnert sich noch gut an seinen ersten Gedanken, als er den dicken Brief geöffnet hat: „Das ist aber viel.“ Dann hat er nachgerechnet: 70 Euro – das entspricht ungefähr der Rentenerhöhung, die er gerade bekommen hatte. „Da müssen wir uns zumindest nicht weiter einschränken. Außerdem hoffen wir ja, dass wir durch die neue Wärmedämmung weniger Heizkosten haben werden“, sagt er. Und er muss nicht von der Härtefallregelung Gebrauch machen.
Härtefallregelung? „Beträgt die Nettokaltmiete mehr als 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens, können Mieter der städtischen Wohnungsunternehmen bei ihrem Vermieter prüfen lassen, ob ein Härtefall vorliegt und eine Mietkappung möglich ist“, erläutert Wolfgang Wagner.

Achim Knuth freut sich trotz der steigenden Mietkosten auf die Sanierung: „Endlich wird hier mal was gemacht. Ich bin auch schon sehr gespannt, wie die Außenanlagen danach aussehen werden.“ Auf neue Grünanlagen muss Knuth aber noch ein bisschen warten. Im September beginnen zunächst die Fassadenarbeiten. Erst wenn die abgeschlossen sind, legen die Landschaftsgärtner los.